BSG: Die Grundsätze der Fallzusammenführung
I. Einleitung
Mit Urteil vom 26.04.2022, B 1 KR 14/21 R, hat das Bundessozialgericht entschieden, dass die von ihm entwickelten Grundsätze für eine fiktiv-wirtschaftliche Fallzusammenführung – jedenfalls für Behandlungsfälle aus der Zeit vor 2019 – auch dann Gültigkeit besitzen, wenn in der zur Abrechnung kommenden DRG eines der Aufenthalte eine Fallzusammenführung nach Spalte 13 im Fallpauschalenkatalog ausgeschlossen ist.
II. Sachverhalt
Das klagende Krankenhaus behandelte eine bei der beklagten Krankenkasse Versicherte zunächst vom 05. – 11.05.2011 stationär wegen der Abklärung von Blutabgängen zur Diagnostik und Therapie. Die Versicherte wurde mit der Diagnose Analkarzinom am Tag vor der interdisziplinären Tumorkonferenz des Krankenhauses entlassen und in Umsetzung des Ergebnisses der Tumorkonferenz am 19.05.2011 zur laparoskopischen Sigmoideostoma-Anlage (künstlicher Darmausgang) und Adhäsiolyse (operatives Lösen von bindegeweblichen Verwachsungen, hier im Bauchraum) sowie zur Implantation eines Ports für eine anschließende Radiochemotherapie erneut stationär aufgenommen und am 31.05.2011 aus der stationären Behandlung entlassen. Das Krankenhaus rechnete beide Aufenthalte getrennt voneinander ab. Einer der Aufenthalte fiel in die DRG G60B, die im Fallpauschalenkatalog gemäß Spalte 13 eine Fallzusammenführung ausschloss. Die Krankenkasse vertrat die Auffassung, es sei von einem einheitlichen Behandlungsvorgang auszugehen und rechnete den sich hieraus ergebenden Differenzbetrag mit einer unstreitigen Rechnung bezüglich eines anderen Behandlungsfalls auf.
III. Entscheidung
Das Bundessozialgericht gab der Krankenkasse Recht. Es hält an seiner Rechtsprechung fest, dass jedenfalls für die Zeit vor 2019 die Berechnung zweier Behandlungsfälle als ein Behandlungsfall nach den aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot abgeleiteten Grundsätzen des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass die Vertragsparteien der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) Regelungen über die Fallzusammenführung vereinbart haben.
Dabei ist es unerheblich, wenn eine nach Satz 1 des § 2 Abs. 2 FPV angeordnete Fallzusammenführung nach dessen Satz 2 im Sinne einer Rückausnahme wieder entfällt und damit die Abrechnung von zwei Behandlungsfällen nicht schon preisrechtlich ausgeschlossen ist. Das übergeordnet maßgebliche Wirtschaftlichkeitsgebot gebietet es, dass Versicherte nicht entlassen werden dürfen, wenn
- in einem überschaubaren Zeitraum Klarheit darüber geschaffen werden kann, ob eine Fortsetzung der stationären Behandlung medizinisch geboten ist, und
- ggf. die Fortsetzung der Behandlung aus medizinischen Gründen auch tatsächlich erfolgen kann.
Maßgeblich dafür ist der im Zeitpunkt der Entscheidung über die Entlassung verfügbare Wissens- und Kenntnisstand der Krankenhausärzte.
In der Regel ist ein Zeitraum von zehn Tagen ab der Entscheidung über die Entlassung bis zur Fortsetzung der Behandlung noch als überschaubar anzusehen.
Entsprechend verhielt es sich hier.