Fiktive wirtschaftliche Fallzusammenführung
BSG: Urteil vom 11. Mai 2023, B 1 KR 10/22 R
Zusammenfassung:
Mit Urteil vom 11.05.2023 hat das Bundessozialgericht entschieden, dass einer Kürzung der Vergütung unter Zugrundelegung der vom Senat hierzu aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot entwickelten Grundsätze des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens, seit dem 1. Januar 2019 § 8 Absatz 5 Satz 3 Krankenhausentgeltgesetz entgegensteht. Danach ist die fiktive wirtschaftliche Fallzusammenführung nur noch in Missbrauchsfällen zulässig.
Hintergrund:
Die Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots im Zusammenhang mit Entlassungen und Wiederaufnahmen in dasselbe Krankenhaus ist mit Einführung des § 8 Absatz 5 Satz 3 KHEntgG abschließend den Vertragsparteien der Fallpauschalenvereinbarung zugewiesen. Diesen steht ein weiter Gestaltungsspielraum zu, bei dem sie die Grundsätze des Wirtschaftlichkeitsgebots beachten müssen (§ 17b Absatz 2 Satz 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz). Sie dürfen dabei auch aus Gründen der Vereinfachung und Praktikabilität Verallgemeinerungen in Form von Generalisierungen, Pauschalierungen oder Standardisierungen vornehmen. Die gerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen.
Die in der Fallpauschalenverordnung 2019 vorgesehenen Ausnahmen, die einer Fallzusammenführung entgegenstehen, begegnen unter Berücksichtigung des weiten Gestaltungsspielraums der Vertragsparteien keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass die Wirtschaftlichkeit einer Entlassung und Wiederaufnahme im Einzelfall nicht zu überprüfen ist, gilt jedoch für Missbrauchsfälle. Ein solcher liegt vor, wenn für die Entlassung im konkreten Einzelfall überhaupt kein nachvollziehbarer sachlicher Grund ersichtlich ist und diese offensichtlich allein dazu dient, eine weitere Fallpauschale zu generieren.
Ein solcher Missbrauchsfall lag im vom BSG entschiedenen Fall nicht vor. Das Krankenhaus durfte die beiden streitgegenständlichen Behandlungsfälle getrennt voneinander abrechnen.