Notwendigkeit der Beteiligung des Betriebsrats eines Krankenhauses bei der Ausgestaltung eines Besuchskonzepts i.S.d. CoronaSchV NRW
Mit der Frage der Notwendigkeit der Beteiligung des Betriebsrates eines Krankenhauses bei der Ausgestaltung des Besuchskonzepts i.S.d. § 5 I CoronaSchVO musste sich das Landesarbeitsgericht Köln befassen. Im streitgegenständlichen Fall betreibt die Arbeitgeberin ein Krankenhaus mit ca. 850 Arbeitnehmern. Im Zuge der Corona-Pandemie hatte sie ohne Beteiligung des bei ihr gebildeten Betriebsrats ein System zur Dokumentation des Zutritts und Aufenthalts betriebsfremder Personen auf dem Klinikgelände eingeführt. Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, dass er bei der Ausgestaltung des Besuchskonzepts rechtswidrig übergangen wurde und hat beim Arbeitsgericht die Errichtung der Einigungsstelle beantragt.
Zu klären war nun in der zweiten Instanz, ob der Betriebsrat bei der Ausgestaltung des Besuchskonzepts mitbestimmen darf. Die Arbeitgeberin war der Auffassung, dass die Einigungsstelle entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts zur Regelung der Angelegenheit offensichtlich unzuständig sei. Die Zugangskontrollen würden in erster Linie dem Schutz der bei ihr behandelten Patienten und gerade nicht der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer dienen. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG knüpfe an einer für sie verbindliche Rechtsnorm an. Eine solche existiere jedoch nicht. Bei den Arbeitsschutzstandards des Bundesarbeitsministeriums handele es sich lediglich um unverbindliche Empfehlungen.
Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates sind in § 87 BetrVG normiert. In der einschlägigen Stelle lautet § 87 I BetrVG mit Verweis auf die streitentscheidende Nr. 7 wie folgt:
Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
[…]
– 7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat demnach der Betriebsrat bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf Maßnahmen des Arbeitgebers zur Verhütung von Gesundheitsschäden, die Rahmenvorschriften konkretisieren. Es setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und mangels einer zwingenden gesetzlichen Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Unerheblich ist, ob die Rahmenvorschriften dem Gesundheitsschutz mittelbar oder unmittelbar dienen (BAG, Beschluss vom 28. März 2017 – 1 ABR 25/15 -, BAGE 159, 12-24, Rn. 18; BAG, Beschluss vom 11. Februar 2014 – 1 ABR 72/12 -, Rn. 14, juris).
Eine solche Handlungspflicht, die auch den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezweckt, besteht im vorliegenden Fall gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO welcher besagt, dass Krankenhäuser die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen haben, um den Eintrag von Coronaviren zu erschweren und Patienten, Bewohner sowie – ausdrücklich – auch das Personal zu schützen. So sei dieser auszugsweise wie folgt zitiert:
§ 5 – Stationäre Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen
(1) Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, vollstationäre Einrichtungen der Pflege und besondere Wohnformen der Eingliederungshilfe sowie ähnliche Einrichtungen haben die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Eintrag von Coronaviren zu erschweren und Patienten, Bewohner und Personal zu schützen. Hierbei sind insbesondere die Richtlinien und Empfehlungen des Robert Koch-Instituts zu beachten.
[…]
Die Coronaschutzverordnung verweist ausdrücklich auf die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts, welche für den klinischen Bereich folgende Besucherregelungen empfiehlt (08.12.2020):
Soziale Kontakte sollten möglichst über Telekommunikation anstatt über persönliche Besuche erfolgen.
Besuche sind auf ein Minimum zu beschränken und zeitlich zu begrenzen.
Besucher sind zu den erforderlichen Schutzmaßnahmen (Abstand von mindestens 1,5 m zum — Patienten, Tragen eines Schutzkittels und eines dicht anliegenden, mehrlagigen Mund-Nasen-Schutz, Händedesinfektion beim Verlassen des Patientenzimmers) zu unterweisen.
Besuche sind demzufolge gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 CoronaSchVO (nur) auf der Basis eines einrichtungsbezogenen Besuchskonzepts zulässig, das die Empfehlungen und Richtlinien des Robert-Koch-Instituts zum Hygiene- und Infektionsschutz umsetzt. Entscheidet sich der Krankenhausträger für die Zulassung von Besuchen, trifft ihn demnach die vorgenannte Verpflichtung zur Erstellung eines Besuchskonzepts. § 5 Abs. 1 Satz 3 CoronaSchVO regelt die von der Arbeitgeberin im Besuchskonzept zu treffenden Maßnahmen mit dem Verweis auf die Empfehlungen und Richtlinien des Robert-Koch-Instituts jedoch nicht abschließend; vielmehr bedarf das zu erstellende Besuchskonzept der betrieblichen Ausgestaltung.
Aufgrund der Verweisung in der Coronaschutzverordnung gelten die Empfehlungen unmittelbar verpflichtend, es besteht allerdings betreffend der konkreten Umsetzung ein Gestaltungsspielraum. Nach Auffassung des Gerichts betrifft dies vor allem die Besuchszeiten sowie Abstandsregelungen. Weiterhin handele es sich nicht um eine abschließende Aufzählung, sondern lediglich um die Benennung von Mindeststandards, die ebenfalls konkretisiert oder ausgebaut werden können um die Vorgaben des RKI im Interesse eines stärkeren Gesundheitsschutzes zu übertreffen.
Das LAG Köln kam demnach folgerichtig zu dem Ergebnis, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 I Nr. 7 BetrVG gegeben war. Es wurde demnach ebenfalls korrekt durch den Betriebsrat das Arbeitsgericht nach § 76 BetrVG angerufen und eine Einigungsstelle gebildet. LAG Köln, Beschluss vom 22.01.2021, Aktenzeichen: 9 TaBV 58/20.
Das Urteil wurde noch nicht veröffentlicht.