Aufklärung über Behandlungsalternativen Brinkmann Rechtsanwälte
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Aufklärung über Behandlungsalternativen

OLG Hamm, Urteil 26 U 36/23 vom 02.02.2024

In einem in diesem Jahr entschiedenen Fall ging es um die Anforderungen an die Aufklärung, wenn neben einer Operation auch eine konservative Behandlung in Betracht kommt.

Die damals 58-jährige Patientin aus Bochum ließ sich Anfang und Mitte 2016 aufgrund einer Veränderung der Bandscheiben (sog. Bandscheibendegeneration) zur Versteifung ihrer Wirbelsäule in dem beklagten Krankenhaus operieren. Aufgrund anhaltender Beschwerden verklagte die Patientin Arzt und Krankenhaus. Behandlungsfehler bei den Operationen wurden nicht erwiesen. Umgekehrt konnte das beklagte Krankenhaus aber auch eine ausreichende und damit wirksame Einwilligung der Patientin nicht nachweisen, weshalb das Oberlandesgericht ihr 50.000 Euro Schmerzensgeld zusprach und feststellte, dass sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen sind.

Das Gericht urteilte, dass die Klägerin nicht ausreichend über die Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt wurde, was zur Unwirksamkeit ihrer Einwilligung in die durchgeführten Operationen führte:

Kernpunkte der Aufklärungspflicht

  1. Umfassende Aufklärung über Behandlungsalternativen:
    • Die Aufklärungspflicht umfasst nicht nur die Risiken der geplanten Operation, sondern auch die Information über gleichwertige konservative Behandlungsalternativen.
    • Insbesondere bei einer relativen Operationsindikation, bei der mehrere gleichwertige Behandlungsoptionen existieren, muss der Patient über alle Möglichkeiten informiert werden.
  2. Fehlende Aufklärung im konkreten Fall:
    • Der Sachverständige bestätigte, dass die Operationen medizinisch vertretbar waren, jedoch hätte die Klägerin über alternative konservative Behandlungsmethoden (wie Krankengymnastik und Massagen) aufgeklärt werden müssen.
    • Die standardisierten Aufklärungsformulare und Einträge der Beklagten wiesen keine spezifischen Informationen zu konservativen Behandlungsalternativen auf.
  3. Selbstbestimmungsrecht des Patienten:
    • Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten erfordert eine informierte Entscheidung, die nur durch eine umfassende und spezifische Aufklärung ermöglicht wird.
    • Eine unzureichende Aufklärung führt dazu, dass der Patient nicht wirksam in die Behandlung einwilligen kann.
  4. Dokumentation der Aufklärung:
    • Die Dokumentation der Beklagten war lückenhaft und widersprüchlich, was die ordnungsgemäße Aufklärung infrage stellte.
    • Es wurde nicht ausreichend dokumentiert, dass die Klägerin über konservative Behandlungsmöglichkeiten informiert wurde.

Schlussfolgerung des Gerichts

  • Unwirksamkeit der Einwilligung: Aufgrund der unzureichenden Aufklärung über alternative Behandlungsmöglichkeiten war die Einwilligung der Klägerin in die Operationen unwirksam.
  • Haftung der Beklagten: Die Beklagten wurden zur Zahlung von Schmerzensgeld und zum Ausgleich materieller Schäden verurteilt, weil die Eingriffe ohne wirksame Einwilligung durchgeführt wurden.

Praktische Implikationen

  • Gründliche Aufklärungsgespräche: Ärzte müssen sicherstellen, dass sie Patienten umfassend und individuell über alle relevanten Behandlungsoptionen informieren.
  • Detaillierte Dokumentation: Die Aufklärungsgespräche müssen detailliert dokumentiert werden, um die ordnungsgemäße Information des Patienten nachweisen zu können.
  • Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts: Ärzte müssen das Selbstbestimmungsrecht der Patienten respektieren und sicherstellen, dass diese eine informierte Entscheidung treffen können.

Das Urteil betont die Bedeutung einer umfassenden und gut dokumentierten Aufklärung, um rechtliche Probleme zu vermeiden und das Vertrauen der Patienten zu gewährleisten.