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Das Wichtigste in Kürze:


Auch wenn der Medizinische Dienst im Prüfverfahren eine Nebendiagnose streicht, die Krankassen im Erörterungsverfahren auf Grundlage derselben Unterlagen aber die Kodierung als korrekt anerkennt, entsteht der Anspruch des Krankenhaues auf die Aufwandspauschale nach § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V.


Tatbestand:

Streitig war ein Anspruch auf eine Aufwandspauschale gemäß § 275c SGB V.

Das klagende Krankenhaus behandelte im Oktober 2022 einen Versicherten der beklagten Krankenkasse und übermittelte im Anschluss eine Rechnung an die Beklagte. Diese beauftragte den Medizinischen Dienst (MD) mit einer Überprüfung. Der MD kam zu dem Ergebnis, dass eine Nebendiagnose zu streichen sei. Im anschließenden Erörterungsverfahren erkannte die Beklagte die Abrechnung auf der Grundlage derselben Unterlagen ohne Kürzung an.

Die Beklagte lehnte im Anschluss die Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro ab. Daraufhin hatte das Krankenhaus Klage erhoben. Die Aufwandspauschale diene dazu, den Aufwand beim Krankenhaus zu kompensieren, der dadurch entstanden sei, das sein MD-Verfahren eingeleitet worden sei, ohne dass es zu einer Minderung der Abrechnung gekommen sei. Es sei somit ein Arbeitsaufwand entstanden, obgleich dem Krankenhaus kein Fehler bei der Abrechnung unterlaufen sei.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 300,00 nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 28.11.2023 zuzahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt die Beklagte unter anderem aus: Bereits mit der Erstellung des MD-Gutachtens bzw. mit der leistungsrechtlichen Entscheidung der Beklagten sei das Prüfverfahren abgeschlossen. Dies ergebe sich aus der aktuell geltenden PrüfvV. Schon aus der Überschrift der Vereinbarung ergebe sich eine Trennung zwischen dem Prüfverfahren nach § 275c Abs. 1 SGB V und dem einzelfallbezogenen Erörterungsverfahren im Sinne des § 17c Abs. 2 KHG. Folglich habe das eigentliche Prüfverfahren tatsächlich zu einer Minderung des Rechnungsbetrags geführt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage war zulässig und begründet.

Die Voraussetzungen von § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V sind erfüllt. Die Vorschrift lautet:

„Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt, hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro zu entrichten.“

Unstreitig hat die Beklagte die Rechnung der Klägerin durch den MD überprüfen lassen und damit eine Prüfung im Sinne dieser Vorschrift vorgenommen.

Entgegen der Auffassung der Krankenkasse hatte diese Prüfung gerade nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags „geführt“. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der zitierten Vorschrift. Die Frage, wozu ein bestimmter Vorgang „geführt“ hat, wird dadurch beantwortet, dass man das Ergebnis betrachtet, das als Konsequenz dieses Vorgangs eingetreten ist.

Grundsätzlich lässt sich die Frage nach dem Ergebnis einer Entscheidung erst beantworten, wenn auch die rechtlich möglichen Kontrollinstanzen durchlaufen sind. Erst nach deren Abschluss (oder dem anderweitigen Ablauf der Kontrollfristen) lässt sich überhaupt feststellen, zu welchen Konsequenzen die Entscheidung tatsächlich geführt hat. So lässt sich beispielsweise auch die Frage, zu welchem Erfolg eine Klage „geführt“ hat, erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des Gerichtsverfahrens beantworten. Ob ein Verwaltungsakt zu einer bestandskräftigen Regelung „geführt“ hat, lässt sich erst feststellen, nachdem mögliche Rechtsbehelfe nicht fristgerecht oder im Ergebnis erfolglos eingelegt worden sind (§ 77  SGG).

Zwar hat die Beklagte im vorliegenden Fall zunächst eine Minderung der Abrechnung vorgenommen. Diese Entscheidung hat im Ergebnis aber gerade nicht zu einer Minderung „geführt“, da sie im Erörterungsverfahren storniert worden ist.

Dass die Beklagte daher eine Aufwandspauschale an die Klägerin zahlen muss, entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift: Die Krankhäuser sollen eine pauschale Vergütung für den Verwaltungsaufwand erhalten, der ihnen durch eine Prüfung entstanden ist, obwohl sie selbst nicht durch eine fehlerhafte Abrechnung Anlass für die Prüfung gegeben haben.

Ausnahmen zu diesem Grundsatz sind denkbar, wenn das Krankenhaus durch eigenes fehlerhaftes Verhalten Anlass für die Prüfung gegeben hat. Im vorliegenden Fall bestehen jedoch keine Anhaltspunkte für Fehler des Krankenhauses. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagtenvertreterin vielmehr auf Nachfrage des Gerichts angegeben: „Im vorliegenden Verfahren werfen wir der Klägerin keine Verletzung von Verfahrensvorschriften vor. Tatsächlich hatte sie alle Unterlagen dem Medizinischen Dienst vorgelegt. Im Erörterungsverfahren hat der Vertreter unseres Hauses die Rechnung akzeptiert ausschließlich aufgrund der Unterlagen, die bereits dem Medizinischen Dienst vorgelegen hatten.“

Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Beklagten, dass die aktuelle PrüfvV den streitigen Anspruch ausschließt. Es ist bereits grundsätzlich festzuhalten, dass die Vertragspartner der PrüfvV überhaupt nicht befugt wären, den Inhalt eines Bundesgesetzes abzuändern. Die Kammer kann aber auch nicht erkennen, dass die PrüfvV überhaupt eine solche Änderung angestrebt hat. In der Überschrift werden lediglich zwei Verfahrensschritte benannt, die von den Vertragsparteien zur Überprüfung einer Krankenhausabrechnung vereinbart worden sind. Damit ist aber keine Aussage verbunden, wie der Begriff „geführt“ in § 275 Abs. 1 S. 2 SGB V aus Sicht der Vertragspartner verstanden werden sollte.

Das Sozialgericht sah keine Gründe für die Zulassung der Berufung.

Anmerkungen:


Das Sozialgericht Berlin führt nachvollziehbar aus, dass auch eine Akzeptanz der Rechnung des Krankenhauses durch die Krankenkasse im Erörterungsverfahren die Aufwandspauschale nach § 275c Abs. 1 S. 2 SGBV auslöst. Erst dann steht fest, dass die von der Krankenkasse initiierte Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt hat. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Aufwandspauschale als pauschalem Ausgleich eines Aufwandes des Krankenhauses für die erfolglosen Überprüfungsaktivitäten der Krankenkasse. Vorliegend kam es beim Krankenhaus zu einem Verwaltungsaufwand durch die erneute Befassung mit dem Behandlungs- und Abrechnungsfall. Dass der MD zunächst eine Monierung der Kodierung vornahm, die Krankenkasse dann aber im Erörterungsverfahren von dieser Abstand nahm, steht dem Anspruch auf die Aufwandspauschale nicht entgegen. Es ist stets der Abschluss der Prüfung zu betrachten. Im streitigen Fall war die Prüfung der Krankenkasse erst mit dem Abschluss des Erörterungsverfahrens abgeschlossen.