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SG Wiesbaden bestätigt Abrechnung des Krankenhauses zur Frage der modularen Endoprothese

Gerichtsbescheid vom 19.10.2022 – Az.: S 18 KR 140/20

Einführung:

Sind der Aufsteckkopf einer Endoprothese, sowie die Verbindungsschraube, die Bauteilsicherheit gewährleistenden, modularen Teile? Dies war die streitentscheidende Frage, mit der sich das Sozialgericht Wiesbaden im Rahmen der Entscheidung vom 19.10.2022 befassen musste.

Sachverhalt:

Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Patientin befand sich im Jahr 2018 in der Klinik der Klägerin zur vollstationären Behandlung. Nach einer Humeruskopf-Mehrfragmentfraktur (rechts) wurde ein Schulterendoprothese implantiert.

Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung der Abrechnung. Mit Gutachten vom 20.09.2019 sowie Widerspruchsgutachten vom 30.10.2019 kommt der MDK zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Kodierung des OPS 5-829.k2 nicht vorliegen. Bei einer modularen Endoprothese müsse eine gelenkbildende Implantatkomponente aus mindestens 3 metallischen Einzelbauteilen bestehen, die in ihrer Kombination die mechanische Bauteilsicherheit des modularen Teils der Prothese gewährleisten. Der Aufsteckkopf bei einer Endoprothese, sowie die Verbindungsschrauben würden nicht mitgezählt. Vorliegend seien lediglich zwei metallische Einzelbauteile im Bereich der gelenkbildenden Implantatkomponente nachvollziehbar, neben dem „Humeral Fractur Stem“ der „Humeral Tray With Locking Ring“. Der Locking Ring sei in diesem Bauteil inkludiert, herstellerseits sei für dieses Bauteil nur eine Chargennummer vergeben.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch steht dem Krankenhaus jedoch zu. Der streitgegenständliche OPS 5-829.k2 lautet ausweislich des BfArM wie folgt:

5-829.k

Implantation einer modularen Endoprothese oder (Teil-)Wechsel in eine modulare Endoprothese bei knöcherner Defektsituation und ggf. Knochen(teil)ersatz

Exkl.:

Implantation oder Wechsel einer Tumorendoprothese bei primären oder sekundären malignen Knochentumoren, wobei das Implantat der Länge und Dicke des resezierten Knochens entspricht (5-829.c)

Hinweis:

Diese Kodes sind Zusatzkodes. Die durchgeführten Eingriffe sind gesondert zu kodieren.

Bei einer modularen Endoprothese muss eine gelenkbildende Implantatkomponente aus mindestens 3 metallischen Einzelbauteilen bestehen, die in ihrer Kombination die mechanische Bauteilsicherheit der gesamten Prothese gewährleisten. Der Aufsteckkopf der Endoprothese wird nicht mitgezählt.

Eine alleinige Osteoporose ohne pathologische Fraktur (ICD-10-GM-Kode M81.-) ist keine knöcherne Defektsituation. Ebenfalls keine knöcherne Defektsituation liegt bei einer operationsbedingten Resektion eines gelenktragenden Anteils vor.

Der knöcherne Defekt muss an der knöchernen Struktur lokalisiert sein, an der der modulare Teil der Prothese implantiert wird.

Ein Teilwechsel ist der Wechsel einer kompletten gelenkbildenden Komponent.

5-829.k2

Schaftkomponente mit einer dem Knochendefekt entsprechenden Länge und Dicke

Inkl.: Mega-Endoprothese

Hinw.: Bei zweiseitiger Schaftverankerung ist der Kode nur einmal anzugeben.

Der gerichtlich bestellte Gutachter, Prof. Dr. med. H. G. Palm, MBA bestätigt mit Gutachten vom 31.01.2021 zunächst eine knöcherne Defektsituation.

 

Der gerichtlich bestellte Gutachter bestätigt zunächst eine knöcherne Defektsituation und beschreibt eine „Humeruskopf-Mehrfragmentfraktur rechts“ und bestätigt die Implantation einer teilzementierten inversen Schulterendoprothese mit Rekonstruktion der Rotatorenmanschette.

Der Gutachter bestätigt darüber hinaus die Verwendung von drei metallischen Bauteilen, dem Comprehensive Humeral Stem, dem Humeral Tray und dem RingLoc Humeral Tray Ring. Auch wenn im Operationsbericht der Verschlussring nicht explizit benannt werde, teilte er die Ansicht der Klägerin, dass es sich um ein metallisches Bauteil handelt. Auch müsse ein Bauteil nicht separat verpackt oder mit einer Seriennummer versehen sein. Der Wortlaut des OPS 5-829.k setze dies nicht voraus. Er führt aus, dass der RingLoc Humeral Tray Ring nicht der Bauteilsicherheit eines metallischen, modularen Teils an der Prothese, sondern nur zur Aufnahme des nichtmetallischen Polyethylen-Gleitlagers diene.

Das Sozialgericht Wiesbaden konkludiert sodann, dass das Bundessozialgericht in diesem Kontext entschieden hat, dass es nach dem klaren Wortlaut des Zusatzkodes 5-829.k nicht auf eine eigenständige modulare Wertigkeit jedes Einzelbauteils der betroffenen Prothese ankomme. Auch metallische Einzelbauteile wie z. B. Schrauben, die die Schnittstellen anderer metallischer Einzelbauteile (Module) verbinden, genügten den OPS-Vorgaben. Unerheblich sei es deshalb, dass eine metallische Schraube, anders als der Schaft und der Hals der Prothese, keinem anatomisch beschreibbaren knöchernen Äquivalent zugeordnet werden könne (BSG, Urteil vom 08.10.2019 – B 1 KR 35/19 R).

Vorliegend dient der RingLoc Humeral Tray Ring zwar nicht der Verbindung anderer me-tallischer Einzelbauteile im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, son-dern der Aufnahme des nichtmetallischen Polyethylen-Gleitlagers, dem Humeral Bearing. Damit dient der RingLoc Humeral Tray Ring aber der Bauteilsicherheit der gesamten Prothese i.S. d. Wortlautes des OPS 5-829.k. Das Sozialgericht bestätigt darüber hinaus, dass zur gesamten Prothese auch das nichtmetallische Polyethylen-Gleitlager des Humeral Bearing gehört, sodass der RingLoc Humeral Tray Ring als Verbindungstück zwischen dem Humeral Bearing und dem Humeral Tray der Bauteilsicherheit der gesamten Prothese dient.

Entscheidung:

Das Sozialgericht weist in seiner Entscheidung sodann ausdrücklich darauf hin, dass der Gutachter des MDK sowie der gerichtlich bestellte Gutachter bei ihrer abweichenden Betrachtung nicht von dem allein maßgeblichen Wortlaut des Zusatzkodes 5-829.k ausgehen, wonach die drei Einzelbauteile die mechanische Bauteilsicherheit der gesamten Prothese gewährleisten, sondern von der Erläuterung in den FAQ des Deutschen Instituts für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) zum OPS 5-829.d (OPS Nr. 5004), wonach die drei Einzelbauteile in ihrer Kombination die mechanische Bauteilsicherheit des modularen Teils der Prothese gewährleisten müssen. Es könne nach Auffassung des Sozialgerichts jedoch dahinstehen, ob die FAQ (OPS Nr. 5004) zu dem OPS 5-829.d, der 2013 durch den streitgegenständlichen OPS 5-829.k ersetzt worden ist, den Anforderungen der allein gebotenen wörtlichen Auslegung des OPS 5-829.d entsprochen haben. Die FAQ (OPS Nr. 5004) könne jedenfalls nicht auf die Neuregelung des OPS 5-829.k übertragen werden. Die Neuregelung des OPS 5-829.k setzt abweichend von dem OPS 5-829.d erstmalig die mechanische Bauteilsicherheit der gesamten Prothese voraus. Die FAQ (OPS Nr. 5004) blieb somit bei der Neuregelung des OPS 5-829.k seitens der Vertragspartner unberücksichtigt.

Sofern dieses Ergebnis zu Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen führt, sind im Rahmen eines vom Gesetzgeber angelegten, jährlich weiter zu entwickelnden „lernenden“ DRG-basierten Vergütungssystems (§ 17b Abs 2 Satz 1 KHG, in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG, Urteil vom 08.10.2019 – B 1 KR 35/18 R, Rdnr. 13 u. 18 m. w. N.)

Kommentar:

Zusammenfassend setzt sich das Gericht detailliert mit den Anforderungen des OPS in der für 2018 gültigen Fassung auseinander und leitet nachvollziehbar streng am Wortlaut das Ergebnis her. Die Entscheidung zeigt einmal mehr die Tragweite der wortlautgetreuen Auslegung der krankenhausvergütungsrechtlichen Normen und, dass ergänzende wertende Betrachtungen fernab des Wortlauts im lernenden pauschalisierten System keinen Anwendungsbereich besitzen.

Das Ergebnis ist daher zu begrüßen und beendet hoffentlich die seit Jahren bestehende Auseinandersetzungen zu dieser Thematik.

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